Stille ist etwas, was man nur in sich finden kann

Dies war meine dritte Reise an den Nil. Die erste war vor mehr als 16 Jahren mit meiner Großmutter. Damals war sie organisiert vom Pfarrer aus der Gemeinde des Dorfes meiner Oma. Ihr Pfarrer war offen für neue Perspektiven, andere Sichtweisen und andere Religionen. Er fuhr jedes Jahr mit einer Gruppe aus der Gemeinde zu den heiligen Städten dieser Welt. Von Matchu Pitchu in den Anden, über Petra im Jemen, Jerusalem, der der heiligen Stadt in Israel, bis zu den Pyramiden in Ägypten und den heiligen Städten dort. Als ich von dieser Reise zurückkam, wollte ich nie wieder nach Ägypten, die Aufdringlichkeit der Männer in diesem Land während der drei Wochen, in denen ich dort gewesen war, war mir einfach zu viel. Eine solche Situation war ich nicht gewohnt und einfach gänzlich damit überfordert.

Die zweite Reise, die ich nach Ägypten unternahm, war in 2020 zu Hochzeiten von Corona. Auch wenn mein ICH sehr wenig davon hielt, wieder nach Ägypten zu reisen, so schrie mein Herz förmlich danach und ich gab mich den Rufen hin. Die Reise lag in völliger Ruhe, niemand begegnete einem auf diesem Weg. Alles war wie ausgestorben, die Zeit wie angehalten. Die Menschen schienen nur mit sich selbst beschäftigt zu sein, doch gerade zu dieser Zeit zog meine Seele mich an den Nil. Hier durfte ich mich erweitern, aus mir herausgehen und mich selbst finden. Am Ende dieser Reise nahm ich wahr, was Fülle bedeutet. Mein Herz war voll und ich hatte kein Bedürfnis für irgendetwas. Essen, Trinken, Medien, Gespräche, Spaß usw. Alles fühlte ich bereits in ausreichendem Maße in mir. Auch als ich damals nach Hause kam, hatte ich eher das Bedürfnis, mich von Gegenständen zu trennen, als Neues anzuhäufen. Denn in mir war schon alles vorhanden. Es ist ein wunderbares Gefühl, aber schwer zu beschreiben, denn man muss es aus meiner Sicht selbst gefühlt haben, um es verstehen zu können.

Und jetzt, im Jahr 2022, wurde ich erneut gerufen, mich auf den Weg zum Nil zu machen, Menschen zu treffen, deren Begegnung und Präsenz sich anfühlte, als kenne man sich bereits seit tausenden von Jahren. Faszination und Wehmut lagen während dieser Reise in der Luft. Am letzten Tag der Nilkreuzfahrt bekam ich das Geschenk der Stille geschenkt. Ich durfte wahrnehmen, was es bedeutet, absoluten Frieden zu empfinden. Der Friede, den man nur in sich finden kann, den Einklang mit mir selbst. Alle Gedanken verhallten in einem Raum unendlichen Nichts, alle Emotionen verstummten in einem grenzenlosen Vakuum, alles Physische existierte bloß noch und gleichzeitig auch nicht. Ich löste mich auf, um zu etwas Neuem zu werden, alles wurde gelöscht, alles ging auf null zurück.

Um dann von diesem Nullpunkt aus wie ein Samen, den ich schon immer verkörperte, Wurzeln zu schlagen, auszutreiben, zu keimen und so neues Licht zu erblicken. Wie ein Diamant, der von den ersten Strahlen des Sonnenlichtes getroffen wird und dieses in abertausende Richtungen reflektiert. So sitze ich hier in Stille und genieße den grenzenlosen Frieden, den ich in mir fühle, diesen Frieden, der bedeutet, dass ich in meiner Achse vollständig angekommen bin. Um von dort aus langsam einen Tanz zu vollführen, der mich langsam von ihr wegbewegt, aber auch immer wieder zu ihr zurück bringt. Der mich sanft wiegt in den Wogen dieses grenzenlosen, nährenden, wundervollen Meers aus anderen Wesen, Menschen, Tieren, Natur und Dingen, die mich umgeben.

Ein Tanz, der mich leicht und sachte von rechts nach links hin und her wiegt und in den ich mich eingliedere, da ich weiß, dass ich eins mit ihm bin.

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Laub